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- um zehn Uhr. Wir unseres Theils gehöre« uicht zu dcu Menschen, die-
- der lieben Abendstunde wegen über die Länge eines Stuckes den Stab brechen,
- und.wenn das Ende herannaht, eine solche Unruhe kund geben, daß umn
- ihnen ansehen muß, wie ein angebrannter Braten ober das Kaltwerden
- eines Ragout ihre Fantasie viel mehr in Anspruch uimmt, als das Him-
- morden eines Unschuldigen. Dennoch können auch wir nicht umhin, unö
- gegen eine solche Ausdehnung zu erklären. Auch das aufmerksamste, ästhetisch-kräftigste Auditorium wird am Ende müde durch die zu großen Massen,
- die man, nur durch kleine Zwischenakte unterbrochen, auf dasselbe einströmen
- läßt; ^ es kann sich unmöglich m gleicher Ausregung erhalten, selbst bei einer
- Vorstellung, wie wir gestern gesehen, wobei von Seiten der darstellenden
- Künstler der letzte Moment mit derselben Energie durchgeführt wurde, wie
- der erste, und der gestrigen Aufführung ist wo möglich noch mehr Vollendung anzurühmen, als der ersten. Vor Allen Mlle. Stubenrauch
- als Christine. Diese Künstlerin bedarf solcher erhabenen Poesie, um ihr
- Kunstwcsen in vollem Glänze leuchten zu lassen. Je mächtiger eines Dichters
- Genius die Flügel rührt, je höher er sich emporschwingt, desto mächtiger hebt
- sich auch ihre Künstlerseele, alle Fesseln von sich werfend, einig und unzertrennlich von der Aufgabe, in die sie ohne zu zagen, das ganze Lebensblut
- treten läßt. Dabei ist es bei ihr kein zu frühes Uebcrsvrudcln, kein, tvpflingö
- Hineinwerfen in einen Theatcrstrom zu Überwältigung einer staunenden
- Menge; mit dem vollen Herzen geht ein scharfer Geist Hand in Hand.
- Sie versteht es nicht- nur, eiue Scene zur Möglichkeit einer Steigerung im
- Einzelnen anzulegen, sondern eben so ein großes dramatisches Werk zu behandeln. Wir mußten dieses gestern wieder in vollem Maße wahrnehmen.
- Die gänzliche Auflösung in die unbezähmbare Leidenschaft eines, in allen
- seinen Empfindungen tvdtlich verletzten Weibeö, mußte unser Mark durchdringen, aber wir waren nicht unvorbereitet, wir begriffen, wie es sich so
- in ihr gestalten konnte. Wir begriffen, wie die bebenden Nerven, die tobenden
- Adern in dein kleinen Nathe der Schweden, die sie in Hast versammelte,
- die Anklage nur mit zitternder Stimme von der Wuth kurz abgestoßen, hervorbringen ließen. Ein von dem Dichter schön gehaltener Gegensatz gegen
- diese Königin ist der edle Graf von Breche, ein Schwede, der das Bitterste
- erträgt aus Liebe für -die Tochter Gustav Adolfs, ein Mann der Wcchr-
- ») Warm» haben die Franzosen Geduld, einen ganzen Abend von 6 bis I I Uhr
- und oftmals noch langer im Theater zuzubringen? Allerdings gibt man gewöhnlich ein kleines Stück als Vorspiel; aber die großen Dramen dauern darum
- nicht minder 4bis fünfthalb Stunden. Und vollends die Opern! Robert uuddie
- Hngcuotten enden nicht vor Mitternacht! - Wir Deutschen rühmen uns so
- gerne unseres Ernstes, unsrer tiefern Hingebung, unseres tiefern Eingehens in
- ein Kunstwerk, und doch lassen wir uns hicriu von den Franzosen den Rang ablaufen; unsere Dichter müssen flüchtig mit ihren Charakteren die Scenen durchlaufen, um die ernste Nation ja nicht zu ermüden, und Mst midie erhabenen und
- theuren Dichtungen Schillers muß der Regisseur die vnndalischc Scheere lege»
- um das gestrenge tiefcingchcndc hingebungsvolle deutsche Publikum nicht mit Grimm
- und Zorn, wegen seines verspäteten Nachtessens und aufgeschobener Schlafhau-
- bcukröiiuug, zu erfüllen. Uud daun ruft man den mordernen Dichter» z»
- SbakSpeare! Charakteristik! A. d. R,