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  1. 250
  2. um zehn Uhr. Wir unseres Theils gehöre« uicht zu dcu Menschen, die-
  3. der lieben Abendstunde wegen über die Länge eines Stuckes den Stab brechen,
  4. und.wenn das Ende herannaht, eine solche Unruhe kund geben, daß umn
  5. ihnen ansehen muß, wie ein angebrannter Braten ober das Kaltwerden
  6. eines Ragout ihre Fantasie viel mehr in Anspruch uimmt, als das Him-
  7. morden eines Unschuldigen. Dennoch können auch wir nicht umhin, unö
  8. gegen eine solche Ausdehnung zu erklären. Auch das aufmerksamste, ästhetisch-kräftigste Auditorium wird am Ende müde durch die zu großen Massen,
  9. die man, nur durch kleine Zwischenakte unterbrochen, auf dasselbe einströmen
  10. läßt; ^ es kann sich unmöglich m gleicher Ausregung erhalten, selbst bei einer
  11. Vorstellung, wie wir gestern gesehen, wobei von Seiten der darstellenden
  12. Künstler der letzte Moment mit derselben Energie durchgeführt wurde, wie
  13. der erste, und der gestrigen Aufführung ist wo möglich noch mehr Vollendung anzurühmen, als der ersten. Vor Allen Mlle. Stubenrauch
  14. als Christine. Diese Künstlerin bedarf solcher erhabenen Poesie, um ihr
  15. Kunstwcsen in vollem Glänze leuchten zu lassen. Je mächtiger eines Dichters
  16. Genius die Flügel rührt, je höher er sich emporschwingt, desto mächtiger hebt
  17. sich auch ihre Künstlerseele, alle Fesseln von sich werfend, einig und unzertrennlich von der Aufgabe, in die sie ohne zu zagen, das ganze Lebensblut
  18. treten läßt. Dabei ist es bei ihr kein zu frühes Uebcrsvrudcln, kein, tvpflingö
  19. Hineinwerfen in einen Theatcrstrom zu Überwältigung einer staunenden
  20. Menge; mit dem vollen Herzen geht ein scharfer Geist Hand in Hand.
  21. Sie versteht es nicht- nur, eiue Scene zur Möglichkeit einer Steigerung im
  22. Einzelnen anzulegen, sondern eben so ein großes dramatisches Werk zu behandeln. Wir mußten dieses gestern wieder in vollem Maße wahrnehmen.
  23. Die gänzliche Auflösung in die unbezähmbare Leidenschaft eines, in allen
  24. seinen Empfindungen tvdtlich verletzten Weibeö, mußte unser Mark durchdringen, aber wir waren nicht unvorbereitet, wir begriffen, wie es sich so
  25. in ihr gestalten konnte. Wir begriffen, wie die bebenden Nerven, die tobenden
  26. Adern in dein kleinen Nathe der Schweden, die sie in Hast versammelte,
  27. die Anklage nur mit zitternder Stimme von der Wuth kurz abgestoßen, hervorbringen ließen. Ein von dem Dichter schön gehaltener Gegensatz gegen
  28. diese Königin ist der edle Graf von Breche, ein Schwede, der das Bitterste
  29. erträgt aus Liebe für -die Tochter Gustav Adolfs, ein Mann der Wcchr-
  30. ») Warm» haben die Franzosen Geduld, einen ganzen Abend von 6 bis I I Uhr
  31. und oftmals noch langer im Theater zuzubringen? Allerdings gibt man gewöhnlich ein kleines Stück als Vorspiel; aber die großen Dramen dauern darum
  32. nicht minder 4bis fünfthalb Stunden. Und vollends die Opern! Robert uuddie
  33. Hngcuotten enden nicht vor Mitternacht! - Wir Deutschen rühmen uns so
  34. gerne unseres Ernstes, unsrer tiefern Hingebung, unseres tiefern Eingehens in
  35. ein Kunstwerk, und doch lassen wir uns hicriu von den Franzosen den Rang ablaufen; unsere Dichter müssen flüchtig mit ihren Charakteren die Scenen durchlaufen, um die ernste Nation ja nicht zu ermüden, und Mst midie erhabenen und
  36. theuren Dichtungen Schillers muß der Regisseur die vnndalischc Scheere lege»
  37. um das gestrenge tiefcingchcndc hingebungsvolle deutsche Publikum nicht mit Grimm
  38. und Zorn, wegen seines verspäteten Nachtessens und aufgeschobener Schlafhau-
  39. bcukröiiuug, zu erfüllen. Uud daun ruft man den mordernen Dichter» z»
  40. SbakSpeare! Charakteristik! A. d. R,